Verbraucher trotz Inflation kaum zu Kompromissen bereit
Profitkrise im Einzelhandel? - Der neue „The Shape of Retail“-Report
Inflationszahlen auf 40-Jahres-Hoch und der nachwirkende Einfluss der Pandemie prägen das Verbraucherverhalten: 67,3 % der deutschen Konsumenten berichten von veränderten Prioritäten beim Einkauf. Für Händler und Konsumgüterhersteller wird es zunehmend wichtiger, zu verstehen, wie sich die Bedeutung von Werten wie Preis, Qualität und Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Kaufentscheidung der Verbraucher in diesem Kontext entwickelt. Sie müssen Wege finden, auf Veränderungen des Verbraucherverhaltens erfolgreich zu reagieren.
Im April 2022 hat Alvarez & Marsal (A&M), ein Beratungsunternehmen, in Zusammenarbeit mit Retail Economics, 5.250 Verbraucher in sieben Ländern befragt: In Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Italien, Frankreich, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Studie untersucht den Einfluss der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung auf fünf Kriterien, die die Kaufentscheidung von Verbrauchern im Wesentlichen prägen: Preis, Qualität, Komfort, das Einkaufserlebnis und Nachhaltigkeit (ESG).
Verbraucher erwarten niedrige Preise, hohe Qualität und Nachhaltigkeit – ohne Kompromisse
43,4 % der Befragten aus Deutschland rechnen damit, dass in den nächsten zwölf Monaten der Anstieg der Lebenshaltungskosten den größten Einfluss auf ihre Erwartungen an Händler und Hersteller von Konsumgütern haben wird – dies ist der zweithöchste Wert in Europa. Schon seit Beginn der Pandemie spielt für 32,8 % der Preis eine größere Rolle beim Einkauf als zuvor. 22,2 % legen seitdem verstärkt Wert auf die Qualität der Produkte und für 10,4 % ist Nachhaltigkeit in den Vordergrund gerückt.
Zu Abstrichen zugunsten eines niedrigeren Preises sind die Konsumenten aber nur bedingt bereit: 75,0 % der Verbraucher sind nicht gewillt, für einen geringeren Preis auf Qualität zu verzichten. 89,0 % geben an, dass sie nicht bereit sind, zugunsten des Preises Kompromisse bei ethischen Standards, sprich Nachhaltigkeitskriterien, einzugehen. Dies erhöht den Druck auf Einzelhändler und Konsumgüterhersteller weiter.
„Trotz Inflation wachsen die Ansprüche an Hersteller und Einzelhandel“, sagt Josefine Haensel, Senior Director und Expertin für Konsumgüter und Retail bei Alvarez & Marsal. „Der Preis rückt stärker in den Vordergrund und der Wettbewerbsdruck steigt in einem ohnehin umkämpften Markt weiter an. Handel und Hersteller müssen ihr Angebot auf die neuen Gegebenheiten anpassen, mit denen die Verbraucher konfrontiert sind.“
Als wichtigste Kriterien für ihre Kaufentscheidungen nennen deutsche Konsumenten die Faktoren Qualität (33,7 %) und Preis (32,8 %) für die untersuchten Kategorien Lebensmittel, Mode, Elektronik, Einrichtung und Beauty. Sofern Verbraucher finanziell in der Lage sind, höchste Qualität zu kaufen, sind sie dazu am ehesten bei Lebensmitteln (31,4 %) bereit, gefolgt von Elektronik (24,2 %).
„In Zeiten steigender Preise und eines sich verschärfenden Wettbewerbs müssen verbrauchernahe Unternehmen auf die Entwicklungen im Konsumentenverhalten reagieren, um im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können“, erläutert Josefine Haensel. „Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung zur Effizienzsteigerung, sowie eine höhere Agilität bei der Reaktion auf Änderungen im Konsumentenverhalten werden zunehmend entscheidend für den Erfolg. Lieferketten, die durch Faktoren wie Covid-19, Preisanstieg und Kapazitätsengpässe in der Logistik unter Druck geraten sind, müssen flexibler gestaltet werden. Dabei sollte insbesondere auf Vereinfachung und Diversifizierung geachtet werden. Ohne Anpassungen in diesen Bereichen ist zu erwarten, dass Gewinnspannen und Rentabilität hart getroffen werden.“
Dennoch: Konsumenten erwarten von Unternehmen, dass Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden
Obgleich Preis und Qualität die Erwartungen der Konsumenten dominieren, nimmt das Thema Nachhaltigkeit und dabei insbesondere die Themen Umwelt und Soziales eine zunehmend wichtige Rolle ein. Im europäischen Vergleich weist Deutschland mit 55,0 % nach der Schweiz (63,0 %) den zweithöchsten Anteil von Konsumenten auf, die gewillt sind für Nachhaltigkeit höhere Preise zu bezahlen. So geben 15,2 % der Befragten aus Deutschland in Bezug auf Mode Nachhaltigkeit als wichtigstes Kriterium für die Kaufentscheidung an, im Hinblick auf Beauty sind es 12,3 % und bei Lebensmitteln 11,0 %.
Als wichtigstes Nachhaltigkeitskriterium bewerten 38,5 % der deutschen Verbraucher die Zahlung fairer Löhne. Für 18,7 % der Befragten ist eine nachhaltige Beschaffung von Produkten und Materialien von oberster Priorität. Die Verpflichtung zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks ist vor allem für die Generation Z wichtig (19,2 %).
Josefine Haensel kommentiert: „Insgesamt bleiben Preis und Qualität die dominanten Faktoren bei Kaufentscheidungen. Jedoch nimmt die Erwartung der Verbraucher kontinuierlich zu, dass Hersteller und Einzelhändler nachhaltig handeln – auch wenn nicht alle Verbraucher diesen Anspruch immer mit ihrer eigenen wirtschaftlichen Realität in Einklang bringen können. Diesen Sachverhalt können Einzelhändler und Hersteller im Wettbewerb nicht ignorieren. Wenngleich steigende Anforderungen an Nachhaltigkeitskriterien zum Teil Investitionen erfordern, zeigen Entwicklungen wie Upcycling, dass ein Fokus auf Nachhaltigkeit auch kommerzielle Chancen bietet.“
Zur Methodik der Studie:
Retail Economics hat im April 2022 ein national repräsentatives Verbraucherpanel durchgeführt. Die Stichprobe umfasst mehr als 5.250 Verbraucher in sieben Ländern: In Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Spanien, Italien, Frankreich, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Quelle: HBI Helga Bailey GmbH – International PR & MarCom / Alvarez & Marsal