Weltweite Zahl der Insolvenzen steigt 2017 erstmals nach sieben Jahren
Hamburg – Nicht nur in Deutschland zeichnet sich mit stagnierenden Pleitezahlen 2017 voraussichtlich eine Trendwende ab, sondern auch auf dem globalen Firmenparkett: In seiner aktuellen Studie „Insolvencies: The tip of the iceberg“ kommt Weltmarktführer Euler Hermes zu dem Schluss, dass die Zahl der weltweiten Insolvenzen 2017 um 1% ansteigen dürfte. Haupttreiber dieses Anstiegs sind negative Prognosen für Lateinamerika (+12% Insolvenzen in 2017), Afrika (+9%), Asien-Pazifik (+6%) sowie Nordamerika (+1%).
„Das ist der erste Anstieg von weltweiten Insolvenzen seit sieben Jahren“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Das hat sich in den letzten Jahren bereits abgezeichnet: Der rückläufige Trend hat sich zunehmend abgeschwächt und dreht sich nun. Der Anstieg ist mit einem Prozent zwar relativ moderat. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Beunruhigend ist vor allem der Trend der deutlich steigenden Schäden durch Pleiten, der noch fast unbemerkt unter der Wasseroberfläche liegt. In den ersten drei Quartalen 2016 haben wir 45% mehr Großinsolvenzen verzeichnet als im Vorjahreszeitraum. Dies führt zu einem negativen Schneeballeffekt, der sich auch 2017 fortsetzen wird.“
Die Weltwirtschaft wächst zwar um rund 2,8%, aber das Wachstum ist nicht stark genug, um einen Anstieg von Insolvenzen zu verhindern. Auch langfristig wird das Wachstum des weltweiten Bruttoinlandsprodukts unter der 3%-Marke bleiben.
Steigende Kredit- und Insolvenzrisiken bei 3 der 5 wichtigsten deutschen Handelspartner
„In Deutschland stagnieren die Pleitefälle 2017 nach unserer Einschätzung erstmals – die Schäden sind durch Insolvenzen wirtschaftlich bedeutender Unternehmen zuletzt jedoch deutlich in die Höhe geschnellt“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Hinzu kommen steigende Exportrisiken durch den Zuwachs bei den globalen Insolvenzen und auch dort erheblich steigenden Schäden. Bei drei der fünf wichtigsten deutschen Handelspartner steigen die Fallzahlen an: in China (+10%), Großbritannien (+5%) und den USA (+1%). In den Niederlanden stagnieren sie. Lediglich in Frankreich (-7%) sind sie rückläufig, wenngleich weiterhin in der Nähe des Rekordniveaus.“
In den Schwellenländern, in denen deutsche Exporteure ebenfalls Wachstumschancen wahrnehmen, zeichnen sich auch deutlich steigende Ausfälle ab: Noch vor China (+10%) liegen 2017 Brasilien und Singapur mit je +15% sowie Chile mit +12%, die alle stark vom chinesischen Markt abhängig sind.
Marokko (+8%), Taiwan und Hongkong sowie Südafrika und die Türkei (jeweils +5%), Russland, Luxemburg und Polen (jeweils +3%), Kanada (+2%), Österreich und Japan (jeweils +1%) verzeichnen ebenfalls einen Anstieg bei den Insolvenzen.
Dynamische Gründerszene: Junge Firmen mit höheren Risiken Neben steigenden Exportrisiken und höheren Schäden durch Großinsolvenzen spielen bei der Insolvenzentwicklung aber auch technische Gründe eine Rolle:
„Pleiten in Deutschland und auch in einigen anderen westeuropäischen Staaten wie zum Beispiel den Niederlanden sind auf einem sehr niedrigen Stand“, sagt Van het Hof. „Ein weiterer starker Rückgang ist daher unwahrscheinlich. Hinzu kommt eine dynamische ‚Unternehmens-Demografie‘. Die Zahl der Firmen und Neugründungen ist schneller gestiegen als die Gewinnmargen. Das führt in einigen Bereichen automatisch zu steigenden Insolvenzzahlen, da junge Firmen in der Regel eine wesentlich höhere Ausfallrate haben als etablierte Unternehmen.“
Gründe für Insolvenzen und steigende Schäden variieren lokal und global
Die Gründe für die Trendwende bei Insolvenzen sind die schwache Weltwirtschaft, das sinkende Wachstum des Welthandels, starker Preiswettbewerb und volatile Währungen. Umsätze und Margen geraten dadurch zunehmend unter Druck. In einigen Branchen, vor allem im Handel und Einzelhandel, fehlt es deshalb an der notwendigen Finanzkraft für Investitionen, beispielsweise in die Digitalisierung. In anderen Branchen kämpfen Unternehmen mit Überkapazitäten und entsprechendem Preisverfall (z.B. Rohstoffe, Stahl).
Finanzierung wird teurer: Zwei bis drei Zinsanhebungen der Fed pro Jahr erwartet
Hinzu kommt die zu erwartende Verschlechterung der weltweiten Finanzierungsbedingungen durch weitere Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank.
„Wir rechnen mit zwei bis drei Zinserhöhungen der Federal Reserve (Fed), sowohl 2017 als auch 2018“, sagt Subran. „2019 dürfte das Zinsniveau dann bei etwa 3% liegen. Das verteuert Finanzierungen in den USA, und die historisch hohe Verschuldung gerät unter Druck. Im Ausland geraten viele eher anfällige Regionen und Unternehmen in Gefahr, vor allem in den Schwellenländern. Südamerika und dort insbesondere brasilianische Firmen sind beispielsweise gefährdet. Aber auch die Türkei und einige asiatische Länder wären davon erheblich betroffen.“
Weltweit dürfte die Rückkehr zu moderater Inflation Unternehmen auf der Umsatzseite nur sehr eingeschränkt entlasten. Gleichzeitig stehen sie vielerorts steigenden Beschaffungskosten und Lohnkosten gegenüber sowie den schwierigeren Finanzierungsbedingungen.
USA: Insolvenzanstieg trotz angekündigter Finanzspritzen und Protektionismus
„In den USA erwarten wir trotz der angekündigten Finanzspritzen für die nationale Wirtschaft einen leichten Anstieg der Insolvenzen“, sagt Subran. „Nicht alle Branchen werden von den angekündigten Maßnahmen profitieren. Die Aufwertung des US-Dollars trifft vor allem die amerikanischen Exporteure. Dabei macht die strengere Geldpolitik allen Branchen zu schaffen, nicht nur denjenigen mit besonders hohem Verschuldungsgrad, wie zum Beispiel dem Maschinenbau. Bei den angekündigten protektionistischen Maßnahmen gehört der Metallsektor vermutlich zu den Gewinnern, die Textilbranche hingegen zu den Verlierern mit hohen Importzöllen von bis zu 32%.“
Handelsbarrieren sind jedoch in Zeiten der Globalisierung nicht nur in den USA ein Problem.
Quelle: ots