Neue Argumente bereichern wissenschaftliche Debatte um industrielle Nutzung von Agrarrohstoffen
Berlin (ots) – Ist es vertretbar, nahrungs- und futtermitteltaugliche Rohstoffe auch für industrielle Produkte zu verwenden? Ein kürzlich veröffentlichtes Papier des nova-Instituts zur Nutzung von Agrarrohstoffen für industrielle Produkte bringt neue Argumente in die öffentliche Debatte ein. Die Wahl des verwendeten Rohstoffs sollte von Fall zu Fall erfolgen und allein von seiner Effizienz und Nachhaltigkeit abhängen. Die eigentliche Kernfrage sei, ob grundsätzlich ausreichend Land für die verschiedenen Anbauzwecke zur Verfügung stünde.
Die Abhandlung nimmt Bezug auf Studien, in denen festgestellt wurde, dass selbst nach der Deckung des Nahrungsbedarfs einer rasch anwachsenden Weltbevölkerung noch genügend Anbauflächen für andere Zwecke als zur Nahrungsproduktion zur Verfügung stünden. Diese Flächen sollten mit den ergiebigsten Pflanzen bebaut werden. Analysen zeigen, dass Rohstoffe der ersten Generation, d.h. solche, die zur Nahrungs- oder Futtermittelproduktion verwendet werden, heute noch deutlich effizienter seien, als die der nächsten Generationen, wie beispielsweise Lignocellulose.
„Effizienz und Nachhaltigkeit sind die wichtigsten Kriterien bei der Wahl eines landwirtschaftlichen Rohstoffs für industrielle Produkte wie Biokunststoffe“, sagt Hasso von Pogrell, Geschäftsführer von European Bioplastics, der die Untersuchung als willkommenen Diskussionsbeitrag begrüßt. „Wendet sich die Industrie jetzt von den Rohstoffen der ersten Generation ab, tut sie damit niemandem einen Gefallen – weder der Umwelt noch der Gesellschaft“, ergänzte er. „Diese Rohstoffe sind gegenwärtig die ergiebigsten und haben darüber hinaus einen weiteren entscheidenden Vorteil: Kommt es zu Nahrungsmittelkrisen, können sie wieder für die Lebensmittelproduktion eingesetzt werden.“
Natürlich müssten auch Rohstoffgenerationen jenseits von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen entwickelt werden. Solange jedoch nahrungsmitteltaugliche Pflanzen unter Effizienzgesichtspunkten führen, sollte deren Nutzung für industrielle Zwecke nichts im Weg stehen. Dies liefe auch den von der Europäischen Kommission gesetzten Nachhaltigkeitszielen eindeutig zuwider.
„Diese häufig sehr emotional geführte Diskussion muss in sachlichere Bahnen gelenkt werden“, fügt von Pogrell hinzu. „Vor dem Hintergrund, dass gerade einmal zwei Prozent der weltweiten Landwirtschaftsfläche für die Materialproduktion – darunter lediglich 0,006 Prozent für Biokunststoffe – aber 98 Prozent für den Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln sowie als Weideland genutzt werden, sollte dies möglich sein,“ fordert von Pogrell.
Die Argumente des nova-Instituts werden durch eine kürzlich von der Weltbank veröffentlichte Studie zur Entwicklung von Lebensmittelpreisen gestärkt. Demnach sei ein Anstieg der Nahrungsmittelpreise weitgehend auf die Entwicklung des Ölpreises zurückzuführen, nicht auf Biokraftstoffe – und schon gar nicht auf Biokunststoffe. Die Studie hat als Nahrungsmittel nutzbare Rohstoffe wie Mais, Weizen, Reis, Sojabohnen und Palmöl untersucht und deren Preise mit Energiepreisen, Wechselkursen, Zinssätzen, Inflation, Einkommen und dem Verhältnis von Vorräten zum Verbrauch abgeglichen, um festzustellen, welcher dieser Faktoren den größten Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise hat.