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„Existenz der AfD beweist, dass die Parteiendemokratie funktioniert“

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Kann Populismus auch positive Auswirkungen für eine Demokratie haben? Ja, meint Parteienforscher und Politikwissenschaftler Tim Spier von der Universität Siegen.

Quelle: Universität Siegen

Deutschland ist „ungerecht“, erklärt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: Zu hohe Manager-Boni, zu wenig bezahlbarer Wohnraum, zu viele prekäre Arbeitsverhältnisse. Dass sich die SPD im Wahljahr 2017 auf Themen wie Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit zurückbesinnt, hat verschiedene Gründe – einer davon ist die AfD, sagt Politikwissenschaftler Prof. Dr. Tim Spier von der Uni Siegen. Populismus habe eine wichtige Funktion für etablierte Demokratien, denn er könne als Korrektiv wirken. „Die Existenz der AfD beweist, dass die Grundidee der Parteiendemokratie in Deutschland funktioniert.“ Denn die AfD greife Punkte auf, die etablierte Parteien vergessen – und erzeugt damit Druck.

Schließlich seien die Sorgen der sogenannten „besorgten Bürger“ nicht komplett irrational oder unbegründet. Spier nennt die Globalisierung und Digitalisierung als zwei entscheidende Faktoren, die Veränderungen spüren die Menschen tagtäglich. Ein Beispiel sei der Alltag im Beruf: Weite Teile der Gesellschaft, auch gering ausgebildete Personen, müssen heute Fremdsprachen und IT beherrschen, um in ihrem Job mithalten zu können. Das war früher nicht in diesem Maße nötig. Viele Menschen merken, dass ihre Lehre und Kompetenzen entwertet werden, sind frustriert über ihre soziale Lage und reagieren aggressiv auf den Druck, den sie spüren. „Diese Aggression leiten sie ab, auch auf Gruppen, die damit nichts zu tun haben, wie zum Beispiel Flüchtlinge. Das nennt man autoritäre Aggression“, erklärt Politikwissenschaftler Spier. „Die Rechtspopulisten nehmen diese Frustration und Aggression auf, lenken dabei aber von den wirklichen Problemen ab. Sie behaupten: ‚Wenn die Flüchtlinge nicht wären, wäre alles gut‘“, erklärt der Parteienforscher. „Das Problem sind aber nicht die Flüchtlinge, sondern zum Beispiel fehlende Investitionen des Staates in die Bildung.“

Im Wahlkampf fordert SPD-Politiker Martin Schulz kostenlose staatliche Bildung von der Kita bis zur Hochschule, bessere Weiterqualifizierung für Arbeitslose, weniger Leiharbeit und befristete Jobs und mehr Unterstützung für Familien. Für Spier spricht Schulz damit sowohl thematisch, als auch rhetorisch den „kleinen Mann“ an. „Dass Schulz eine einfache Sprache benutzt und kein Abitur hat, wird ihm sicherlich positiv ausgelegt“, sagt Prof. Spier. Schulz‘ Zielgruppe sind diejenigen Menschen, die sich in den vergangenen Jahren mit ihren Sorgen nicht ernst genommen gefühlt haben. „Die AfD spielt eine große Rolle, dass die SPD ihren Wahlkampf genau so gestaltet und diese Themen anspricht“, sagt der Wahlforscher. „Die Sozialdemokraten versuchen eine Lücke zu schließen, die die AfD aufgezeigt hat. Genauso sieht eine lebendige Parteienkultur aus.“

Professor Spier forscht und lehrt seit 2012 als Juniorprofessor an der Uni Siegen unter anderem zu Rechtspopulismus und -extremismus, Wahlen, Koalitionen und Parteien. Sein Schwerpunkt ist das politische System der Bundesrepublik Deutschland. In der weltweit größten Parteimitgliederstudie untersucht er momentan gemeinsam mit der Uni Hannover, die Einstellungen, Meinungen und Entwicklungen von 17.000 Mitgliedern der sechs etablierten deutschen Parteien.

Quelle: Universität Siegen

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