Europäischer Aufbruch bei der Bekämpfung des Klimawandels gefordert
Berlin – Dahrendorf Symposium legt fünf Kernempfehlungen vor
Die katastrophalen Auswirkungen des Taifun Haiyan unterstreichen die Dringlichkeit der Fragen, die in diesen Tagen auf dem UN-Klimagipfel in Warschau verhandelt werden. Dies zeigte sich auch beim diesjährigen Dahrendorf Symposium, das heute in Berlin zu Ende geht. Hier befassten sich Wissenschaftler, Politiker und Fachleute nicht nur mit dem Klimawandel als Umweltproblem, sondern auch mit seiner entwicklungspolitischen, ökonomischen, sozialen und rechtlichen Dimension. Europa als wichtiger Akteur im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel muss neue Lösungsvorschläge anbieten. Die fünf wissenschaftlichen Arbeitsgruppen des Dahrendorf Symposiums geben folgende zentrale Empfehlungen zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen Europas:
1. Europa muss bei den Klimaverhandlungen mit einer Stimme sprechen
„Derzeit gibt es ein ganzes Bündel von europäischen Ansätzen. Die internationalen Verhandlungen werden daher von unterschiedlichen nationalen als auch Gruppeninteressen bestimmt. Europa läuft dadurch Gefahr, seinen Einfluss gänzlich einzubüßen. Wir empfehlen den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten einen Kurswechsel. Die vorherrschende kurzsichtige Politik unkoordinierter Strategien und Politikwechsel muss zugunsten eines gemeinsamen Ansatzes aufgegeben werden.“ – Helmut K. Anheier, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe ‚Europe and the World‘, Dekan und Professor der Soziologie, Hertie School of Governance, und Arne Westad, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe, Direktor von LSE IDEAS, Professor für Internationale Geschichte, LSE.
2. Eine gemeinsame Vision für den europäischen Energiesektor der Zukunft ist essentiell
„Die Modernisierung des Energiesektors in Europa wird durch die fehlende Verzahnung von lokaler, nationaler und supranationaler Ebene gebremst. Vor allem der Ausbau der Netze braucht eine koordinierte Steuerung und Aufsicht. Hinderlich ist auch, dass in der Energieeffizienz-Debatte ein künstlicher Widerspruch zwischen der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Ausstieg aus der Kohle aufgebaut wird. Eine offene Kommunikation zwischen allen europäischen Partnern und die Bereitschaft, von positiven Beispielen zu lernen, sind Voraussetzungen für die Entwicklung einer gemeinsamen Vision.“ – Claudia Kemfert, Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe ‚Governance and Policy Aspects of Climate Change‘, Professorin, Hertie School, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt, DIW Berlin, und Karsten Neuhoff, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe, Professor, TU Berlin, Leiter der Abteilung Klimapolitik, DIW Berlin.
3. Klimagerechtigkeit muss ins Zentrum internationaler Überlegungen rücken
„Wir können die Klimakrise nicht bewältigen, ohne die Auswirkungen zu bedenken, die unsere Handlungen für die Schwächsten dieser Erde sowie für zukünftige Generationen haben. Europa muss Verantwortung dafür übernehmen, eine gerechte Antwort auf die Klimakrise zu finden, die über die Frage der gerechten Verteilung von Nutzen und Lasten hinausgeht. Lokale Gemeinschaften müssen darin gefördert werden, ihren eigenen Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu gehen und ihre spezifischen Klimarisiken selbst zu bewältigen. Klimagerechtigkeit erfordert auch einen Paradigmenwechsel hinsichtlich grundlegender Rechtsgrundsätze und die Anerkennung einer verbindlichen Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen.“ – Conor Gearty, Vorsitzender der Arbeitsgruppe ‚Social Legal Aspects of Climate Change‘ und Direktor des Institute of Public Affairs der LSE sowie Professor of Human Rights Law an der juristischen Fakultät der LSE.
4. Es müssen effektive Ziele für die Zeit nach „Europe 2020“ gesetzt und das europäische Emissionshandelssystem reformiert werden
„Die Europäische Union muss sich einseitig verpflichten, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent zu reduzieren sowie Zielvorgaben für die Decarbonisierung des Energiesektors bis 2030 definieren, wobei die Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen sind. Wir schlagen zudem eine Reform des EU Emissionshandelssystem (EU ETS) in folgender Weise vor: Mittels eines transparenten preisbasierten Mechanismus werden dem System automatisch Emissionsschutzrechte zugeführt oder entzogen. Der Preis, der diesen Mechanismus auslöst, ist nicht in absoluten Zahlen zu beziffern, sondern entspricht einem Preistrend innerhalb eines definierten Zeitraums. Mithilfe dieses Mechanismus innerhalb eines regulierten Systems könnten Unternehmen das Volumen der automatisch ins System eingespeisten oder daraus abgezogenen Emissionsrechte einschätzen und auf dieser Grundlage Emissionsrechte kaufen und verkaufen. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, das Volumen von Emissionsrechten zu erhöhen oder abzusenken, der Interventionsbedarf würde minimiert.“- Luca Taschini, Vorsitzender der Arbeitsgruppe ‚Economics and Climate Change‘ und Research Fellow am LSE Grantham Research Institute.
5. Die Staaten Südeuropas sollten eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen
„Wir sehen ein beträchtliches Potenzial in der Kombination von Investitionen in Energie-Infrastruktur mit einem Wachstumsplan für die südeuropäischen Länder, deren Wirtschaft unter der Finanzkrise besonders gelitten hat und leidet. Es gilt, öffentliche Investitionsprogramme für diese Mitgliedstaaten zu etablieren. Ein solches Programm würde nicht nur Wachstumsimpulse geben, sondern auch die europäische Solidarität stärken: Bei der Bekämpfung des Klimawandels geht es vielmehr um den gemeinsamen Nutzen als um die Umverteilung der Lasten.“ – Felix Creutzig, Vorsitzender der Arbeitsgruppe ‚Infrastructure and Climate Change‘ und Projektleiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC).
Quelle: ots