Ein Jahr Mindestlohn – Kfz- und Tankstellengewerbe ziehen Bilanz
Bonn – Weniger Bürokratie bei der Umsetzung und ein moderates Vorgehen bei der anstehenden Erhöhung der Lohnuntergrenze ab 2017: So lauten die Forderungen des Kfz- und Tankstellengewerbes eineinhalb Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes.
„Viele der meist kleinen Betriebe mit unter acht Mitarbeitern klagen über den hohen Verwaltungsaufwand bei der Dokumentation der Arbeitszeiten“, erklärte Jan-Nikolas Sontag, Geschäftsführer des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein. Er nahm teil am ersten Politischen Frühstück des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) in Berlin, gemeinsam veranstaltet mit dem Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG).
Ähnlich besorgt äußerte sich ZTG-Geschäftsführer Markus Pillok: „Die meisten Tankstellen haben kein elektronisches Zeiterfassungssystem. Die Mitarbeiter melden sich meist schon vor ihrer Schicht über die elektronischen Kassen an. Weil dann die Zeiten mit denen auf den Stundenzetteln oftmals nicht übereinstimmen, befürchten die Pächter künftig Geldbußen nach Kontrollen.“
Hinzu komme die unterschiedliche Zahlung des Mindestlohnes. „Erhalten geringfügig Beschäftigte Brutto wie Netto abzüglich eventueller Rentenversicherungsbeiträge, werden bei den Festangestellten weitere Abzüge fällig“, so Pillok. So könnten Minijobber manchmal mehr verdienen als Festangestellte. Das Gesetz habe diese Situation leider nicht geregelt, bedauerte er. Die Einführung des Mindestlohnes koste die Stationen durchschnittlich 10.000 bis 20.000 Euro.
Ein weiteres Problem sehen die beiden Verbände in den Kontrollen über die Einhaltung des Mindestlohnes. Jan-Nikolas Sontag: „Wenn Zollbeamte in voller Montur in Autohäuser stürmen, führt das zu Irritationen bei den Kunden.“ Hier müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.
Steffen Kanitz, MdB, Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, und Hubert Hüppe, MdB, Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, versicherten, dass die Abgeordneten sachdienlichen Hinweisen nachgehen werden. Kanitz: „Dort, wo es zu Auswüchsen kommt, müssen wir im Zweifelsfall eingreifen.“
Was den Erfolg des Gesetzes angeht, ließen die Parlamentarier keinen Zweifel. „Der Mindestlohn ist sinnvoll, greift ordnungspolitisch und hat auf dem Arbeitsmarkt zu keinerlei Verwerfungen geführt. Die Befürchtung, dass er Jobs kosten würde, hat sich nicht erhärtet“, schlussfolgerte Prof. Dr. Matthias Zimmer, MdB, Stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales. Wenige Tage vor der Entscheidung der Mindestlohnkommission über die Anhebung der Lohnuntergrenze ab 2017 geht der Bundestagsabgeordnete von einer Steigerung von derzeit 8,50 Euro um voraussichtlich rund 30 Cent aus.
Auf die Frage von Dr. Christoph Konrad, Leiter des ZDK-Hauptstadtbüros, welchen Einfluss die außerhalb des Betrachtungszeitraums liegenden Tarifabschlüsse der Metall- und weiterer Branchen auf die Festsetzung des künftigen Mindestlohnes haben werden, verwies Zimmer auf die Entscheidung der paritätisch besetzten Kommission. Hintergrund: Die Anhebung könnte höher ausfallen, wenn im Tarifindex – er ist die Grundlage für die Festsetzung des Mindestlohnes – auch diese Abschlüsse berücksichtigt werden.
Mit dem ersten Politischen Frühstück gab der ZDK den Auftakt zu einem Gesprächsformat, das den regelmäßigen Dialog zwischen Parlamentariern und Vertretern von Verbänden und Unternehmen zu verkehrspolitischen und gesellschaftlich relevanten Themen fördern will.
Quelle: ots