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DBU fordert für Landwirtschaft „dritten Weg der Nachhaltigkeit“

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Bottermann: Gegensätze zwischen öko und konventionell auflösen – Neue DBU-Publikation erschienen

Osnabrück. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fordert eine offene, sachgerechte und entideologisierte Diskussion über die Zukunft einer wirklich nachhaltigen globalen Landwirtschaft. Die in der öffentlichen Wahrnehmung bestehenden Gegensätze zwischen Bio-Bauern und konventionellen Landwirten müssten abgebaut und Strukturen einer Lebensmittelproduktion geschaffen werden, die ökonomisch tragfähig, sozial vertretbar und ökologisch vorzeigbar seien. DBU-Generalsekretär Dr. Heinrich Bottermann: „Wir müssen im gesellschaftlichen Konsens objektiv Mindestregeln und Eckpunkte festlegen, was nachprüfbar nachhaltig ist. Dabei dürfen nur Fakten eine Rolle spielen, nicht Fiktionen. Sicher ist: Alle landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsformen haben für sich betrachtet Vor- und Nachteile. Wir werden in Deutschland und global die Ernährung der Bevölkerung nur dann nachhaltig gestalten können, wenn wir die Vorteile zusammenführen, die Nachteile abstellen und gemeinsam einen neuen dritten Weg der Nachhaltigkeit beschreiten.“

Beim Vorstellen einer neuen Publikation der DBU zum Thema „Nachhaltige Landwirtschaft – Herausforderungen und Lösungsansätze“ betonte Bottermann heute vor Journalisten, die Landwirtschaft stehe global vor großen Herausforderungen: Eine wachsende Weltbevölkerung produziere eine stark steigende Nachfrage nach qualitativ hochwertigen und preisgünstigen Nahrungsmitteln. Gleichzeitig steige der Bedarf an Futtermitteln und pflanzlichen Rohstoffen zur industriellen und energetischen Nutzung. Darum stünden weltweit aber nicht mehr Flächen zur Verfügung. Um nachhaltig zu sein, müssten die Produktivität der Böden und die Artenvielfalt dauerhaft bewahrt und Umweltbelastungen auf ein unvermeidbares Maß verringert werden. Ebenso gelte es, Tiere artgerecht zu halten sowie die ökonomische Existenzfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe sicherzustellen und damit auch den in der Landwirtschaft tätigen Menschen gerechte und zufriedenstellende Lebensbedingungen zu garantieren.

Gegenwärtig sei die Landwirtschaft überall auf der Welt noch mehr oder weniger weit von diesem Anspruch entfernt. In Mitteleuropa seien der Artenrückgang in der Agrarlandschaft und die Nährstoffverluste bei der konventionellen Bewirtschaftung vor allem aus der Tierhaltung die wichtigsten Nachhaltigkeitsdefizite. Bottermann: „Wir müssen den Güllepfad in den Griff bekommen, damit die Umweltbelastung durch den Stickstoff vermindert wird.“ Auch mit Blick auf die biologische Vielfalt gebe es Probleme.

Während der Ökolandbau hier gut abschneide, habe er Probleme, langfristig die Bodenvorräte an Phosphor und Kalium zu erhalten. Und von einem wirklichen Kreislauf der Nährstoffe könne man beim Biolandbau auch höchstens betriebsintern sprechen. Denn mit dem Verkauf von Produkten werde der Kreislauf durchbrochen, wenn die Nährstoffe nicht über Kompost und Klärschlämme auf die Felder wieder zurückkämen. Zudem werde für die gleiche Menge an Nahrungsmittelproduktion noch zu viel Fläche verbraucht. Bottermann: „Wir brauchen eine angemessene, durchaus intensive Nutzung der heute schon genutzten landwirtschaftlichen Fläche, weil Land der limitierende Faktor ist.“

Beide Formen der landwirtschaftlichen Produktion hätten also ihre Vor- und Nachteile. Bottermann: „Es geht nicht mehr darum, die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen. Wir müssen den Öko- und konventionellen Landbau zusammenführen. Beide müssen voneinander lernen. Die ideologische Konfrontation führt nicht weiter.“ Hier seien Nachhaltigkeitsbewertungen ebenfalls ein objektives Mittel, um trotz intensiver Bewirtschaftung viele Schritte in die richtige Richtung zu gehen. Auf der heute vorhandenen landwirtschaftlichen Fläche könnten zehn oder elf Milliarden Menschen ernährt werden. Und gleichzeitig sei es nötig und möglich, die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft drastisch zu senken. Bottermann: „Die Produktion verdoppeln und die Umweltauswirkungen mindestens halbieren – das ist die Aufgabe, vor der die Menschheit steht.“

In Afrika gebe es, so Dr. Werner Wahmhoff, Leiter der DBU-Abteilung Umweltforschung und Naturschutz und außerplanmäßiger Professor an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen, in weiten Teilen Böden, deren Vorrat an Nährstoffen weitgehend erschöpft sei. Das sei einer der Gründe, warum die Erträge seit Jahrzehnten in Afrika stagnierten, während in anderen Erdteilen die Erträge stiegen. Der Pflanzenbauer: „Ohne Nährstoffe können die Kulturpflanzen keinen Ertrag bringen, unabhängig davon, ob nach den Regeln des ökologischen Landbaus oder konventionell gewirtschaftet wurde.“ Eine ausreichende Zufuhr, am besten eine Rückführung der Nährstoffe und der Schutz der Feldfrüchte vor Schädlingen und Krankheiten seien überall auf der Welt die Voraussetzung für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Allerdings sei darauf hinzuweisen, dass die Preise landwirtschaftlicher Produkte häufig viel zu niedrig seien, so Bottermann weiter. Für Billigangebote müsse am Ende immer irgendwer zahlen: die Natur, die Tiere oder die Menschen. Zu den Nachhaltigkeitskriterien für die Landwirtschaft gehörten auch die sozialen Aspekte. Gerade in der Landwirtschaft arbeiteten viele Menschen, die überlastet seien, schlecht bezahlt würden und für die es kein Leben neben dem Beruf mehr gebe. Bottermann: „Das kann man nicht akzeptieren. Und ich finde, das gehört zu einer sorgfältigen Analyse und Bewertung von Wirtschaftssystemen mit dazu.“

Aber es gebe auch eine größere Anzahl von Menschen, die nicht in der Lage sei, teurere Lebensmittel aus rein ökologischer Produktion zu kaufen, weil sie einfach arm seien. Bottermann: „Auch da haben Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft die Verantwortung, preiswerte Lebensmittel in guter Qualität an den Verbraucher zu bringen.“

Zum Thema Tierschutz sagte der Veterinärmediziner Bottermann, unsere Gesellschaft leite den Umgang mit Tieren in der Landwirtschaft „häufig nicht von deren Nutztierfunktion ab“. Dabei seien Nutztiere in erster Linie dazu da, „den Menschen mit tierischem Eiweiß zu versorgen. Das ist für ihn ein wichtiges Gut. Ich glaube allerdings, dass etwas weniger manchmal etwas mehr wäre.“

Zentral sei aber die Art und Weise, wie Nutztiere gehalten werden. Bottermann: „Eine Kuh muss zum Bauern passen. Wenn der Bauer ein Hochleistungstier hält, dann muss er auch Hochleistungsmanagement betreiben. Dann muss er die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, damit sich das Tier auch wohl fühlt.“ Probleme entstünden immer dann, wenn das genetische Potenzial nicht zum Umfeld passe, der Mensch das aber alleine für seine wirtschaftlichen Interessen nutze.

Für die Beurteilung landwirtschaftlicher Tierhaltung sei auch der Arzneimittelverbrauch von zentraler Bedeutung, weil der von der Gesellschaft aus guten Gründen immer weniger akzeptiert werde. Früher seien Arzneimittel das „Schmiermittel der intensiven Tierhaltung“ gewesen. Heute gehe das nicht mehr, weil diese Art der Arzneimittelanwendung mit dazu beigetragen habe, deren Wirksamkeit erheblich zu beeinträchtigen. Die Landwirtschaft sei aber zum Glück auf dem Weg, so wenige Medikamente wie möglich einzusetzen.

Die kommende Generation entwickle ja auch einen anderen Lebensstil, denn Fleisch stehe nicht mehr so hoch im Kurs. Und wenn diese Generation seltener Fleisch esse, dann vielleicht welches, von dem sie wisse, dass es aus einer besonderen Haltung stamme. Bottermann: „Ich glaube, die Landwirtschaft tut gut daran, diesen Markt nach definierten Kriterien weiter zu entwickeln. Denn die kann man dann auch bei aufgeklärten Konsumenten vermarkten. In einem anonymen Massenmarkt kann man in Deutschland auf Dauer nicht wettbewerbsfähig sein.“

Auch der heute noch dominierende chemische Pflanzenschutz bekomme starke Konkurrenz. Hoch im Kurs stünden der mechanische und physikalische Pflanzenschutz, moderne Technologien, die weiter ausgebaut werden müssten und sehr wichtig seien. Mit digitalisierten Technologien könne gezielt zwischen Beikraut und Kulturpflanze unterschieden werden, um anschließend mit Robotern mechanische Geräte zur Unkrautbekämpfung anzusteuern oder nur noch teilflächenspezifisch Herbizide in der Bodenoberfläche einzusetzen, wo sich wirklich Unkräuter befinden. Wahmhoff: „Das sind für mich Schlüsseltechnologien, um Landwirtschaft umweltschonend zu betreiben.“

Mensch, Tier, Umwelt, ökologischer oder konventioneller Landbau: Für eine nachhaltige und moderne Landwirtschaft, deren gesellschaftlicher Stellenwert nicht hoch genug einzuschätzen sei, komme es darauf an, die einzelnen Indikatoren zu erfassen, objektiv zu bewerten und in Relation zueinander zu setzen. Die DBU habe das mit Projekten zur Pflanzenproduktion gefördert wie auch zur Rinderhaltung. Projekte zur Schweine- und Geflügelhaltung seien in der Vorbereitung. Bottermann: „Am Ende muss eine nachhaltige Landwirtschaft stehen, die mit wenig, aber sehr produktiv genutzter Fläche und einem absoluten Minimum an negativen Umweltauswirkungen auskommt. Damit erhalten und bewahren wir die notwendigen Flächen für die Natur und heutigen und zukünftigen Generationen unter ethischen Aspekten eine lebenswerte Umwelt innerhalb der planetaren Grenzen.“

Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt

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