Der Einzelhandel in Deutschland hat in den letzten Jahren viel eingesteckt. Wir haben Stefan H. Hoffmann zur aktuellen Situation des Einzelhandels befragt. Er ist ein erfahrener Experte im Handelsbereich mit über 14 Jahren Erfahrung im Sport- und Fashionsegment. Derzeit ist er unter anderem Berater und Geschäftsführer von SHOROOMS und Dozent an verschiedenen Business Schools. Im Interview betont er die Bedeutung einer individuellen Betrachtung und partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie.
Herr Hoffmann, wie sind Sie in die Welt des Handels eingestiegen?
Ich habe sehr früh im Rahmen meines Bachelor Studium ein Praktikum bei der Firma Pohland Herrenkleidung (Tochter der Douglas Gruppe) gemacht. Seitdem hat mich der Handel nicht mehr losgelassen.
Welche Rolle spielt der stationäre Einzelhandel im Zeitalter des Online-Shoppings und wie können beide Kanäle erfolgreich miteinander kombiniert werden?
Die Frage taucht ja immer wieder auf. Ich bin der Meinung, wir sollten grundsätzlich versuchen nicht mehr in Kanälen oder Kategorien zu denken. Es ist DER Handel. Ob mit oder ohne Onlineshop, ob rein stationär oder rein Online hängt von wahnsinnig vielen Faktoren ab. Hier ist eine individuelle Betrachtung zwingend notwendig.
Wie gehen Sie mit der steigenden Bedeutung von E-Commerce-Plattformen wie Amazon um und wie können Einzelhändler in diesem Umfeld erfolgreich sein?
Wir haben uns dazu entschieden, unsere Waren auf diesen Plattformen nicht anzubieten. Weder direkt noch indirekt. Für uns wäre es eine eigens zu erschaffende Business Unit, die außerdem noch das Wohlwollen der Lieferanten voraussetzt. Das können wir allerdings nicht immer erwarten.
Wie wichtig ist es für Einzelhändler, ihre Produktpalette regelmäßig zu aktualisieren und wie treffen Sie Entscheidungen über neue Produkteinführungen?
Absolut wichtig. Wir haben gerade zu dieser Saison einen kompletten Strategiewechsel unserer Filiale auf Sylt vollzogen. Weniger Artikel auf der Fläche, hochpreisiger, exklusiver. Wir müssen uns täglich neu erfinden und viel wichtiger – hinterfragen.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Herstellern in Ihrem Unternehmen und wie wählen Sie Ihre Partner aus?
Ich bin ein absoluter Verfechter der Partnerschaft auf Augenhöhe. Dazu gehört aber auch ein Blick für die derzeitigen Herausforderungen und die Risikoverteilungen zwischen Händlern und Lieferanten. Es gibt kein standardisiertes Partnerauswahlverfahren. Ganz im Gegenteil. Am Ende spielt in unserer Branche zum Glück auch die Sympathie noch immer eine Rolle. Aber klar, ein relativ nüchterner Blick auf alle relevanten KPIs ist pro Lieferant unerlässlich.
Zuletzt, welche Trends sehen Sie derzeit im deutschen Einzelhandel und wie beeinflussen sie Ihr Unternehmen? Und welche Herausforderungen sehen Sie derzeit in der deutschen Handelslandschaft?
Wir sehen einen absoluten Trend zu hochwertigen, langlebigen und hochpreisigeren Produkten. Fast Fashion und Rabatte über Rabatte lassen nach. Dennoch ist gleichzeitig die Kundenfrequenz eine der größten Herausforderungen. In Zeiten der finanziellen Unsicherheiten werden Anschaffungen abgewogen und durchdacht. Ist die Kaufabsicht allerdings beschlossen, darf es gerne auch etwas hochwertiger sein. Ungeachtet dessen werde ich insgesamt nicht müde zu erwähnen, dass die derzeitigen Herausforderungen nur gemeinsam (Handel und Industrie) gemeistert werden können. Dazu gehört auch ein dynamisches Ausliefer- und Zahlmanagement. Sowohl als Berater von Handelsunternehmen, als auch als Geschäftsführer eines Handelsunternehmens versuche ich empathisch verschiedene EGOs in den Hintergrund zu rücken. Lasst uns gemeinsam positiv nach vorne schauen.