Qualitätsatlas Retailbanking 2013
München – Im Zuge der öffentlichen Diskussion über die Ursachen und Dynamiken der globalen Finanzkrise wurden in den letzten Jahren auch zunehmend die Beratungsleistungen von Banken zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht. Aufgrund der Komplexität dieses Themas unterscheiden sich diese Untersuchungen allerdings zum Teil ganz erheblich sowohl hinsichtlich ihres grundsätzlichen Fokus als auch im Hinblick auf die angewendeten Methoden.
Das Spektrum reicht dabei von der fragebogenbasierten Untersuchung der Einhaltung der sogenannten „Protokollpflicht“ bis hin zur testkundenbasierten Untersuchung komplexer Anlagevorschläge für höhere Millionenbeträge. Eine flächendeckende, testkundenbasierte Untersuchung der themenübergreifenden Beratungsqualität im Retailbanking hat dagegen bis vor einigen Jahren noch nicht existiert, obwohl es sich dabei in der Realität um einen der häufigsten Anlässe handeln dürfte, zu dem ein Privatkunde eine Bank aufsucht.
Wir haben daher im Jahr 2010 erstmals eine solche großangelegte Untersuchung durchgeführt und in den folgenden Jahren mit jeweils noch größeren bundesweiten Stichproben wiederholt. Im „Qualitätsatlas Retailbanking 2013“ werden die Ergebnisse des Jahres 2013 dargestellt. Grundlage der Untersuchung sind über 2.150 Beratungsgespräche, die von professionellen Testern bei 1.511 Banken in 300 Städten deutschlandweit geführt wurden. Um die themenübergreifende Beratungsqualität untersuchen zu können, wurde von den Testern kein bestimmtes Schwerpunktthema a priori vorgegeben, sondern es wurde dem Berater überlassen, dies zu setzen. Im direkten Anschluss an das Beratungsgespräch beantwortete jeder Tester einen 91 Fragen umfassenden standardisierten Fragebogen über das Beratungsgespräch, der die verschiedenen Aspekte der Beratung in den vier Dimensionen (1) Vor- und Nachbetreuung, (2) Atmosphäre/Interaktion, (3) Sachgerechtigkeit und (4) Kundengerechtigkeit erfasst.
Als wesentliche Ergebnisse der Untersuchung zeigen sich folgende Punkte:
- Die durchschnittlichen Gesamtnoten haben sich zu den Vorjahren insgesamt etwas verbessert. Deutschlandweit weisen somit zwar viele Filialen weiterhin erheblichen Verbesserungsbedarf auf, allerdings sind bei einzelnen Institutsgruppen zum Teil sehr deutliche Verbesserungen zu erkennen.
- Die insgesamt zu beobachtenden Verbesserungen finden erfreulicherweise nicht nur in den „weichen“ Bewertungsdimensionen „Vor/Nachbetreuung“ und „Atmosphäre/Interaktion“ statt, sondern auch in den „harten“
- Bewertungsdimensionen „Sachgerechtigkeit“ und „Kundengerechtigkeit“.
- Auch bei der Aufschlüsselung der Noten nach Bundesländern spiegeln sich die insgesamt besseren Noten wider. Die größten Sprünge nach vorne machten gegenüber dem Vorjahr die Länder Rheinland-Pfalz und Sachsen, während die Länder Thüringen und Brandenburg aus dem vorderen Drittel ins Mittelfeld abrutschten. Im vorderen Drittel behaupten konnte sich gegenüber dem Vorjahr nur das Land Hessen.
- Auf Institutsebene ergab sich die größte Veränderung der diesjährigen Untersuchung: Die Commerzbank, die in den Vorjahren immer auf einem der beiden letzten Plätze zu finden war, gelangte 2013 auf den ersten Platz und zog damit sogar an der Sparkassen vorbei, die in den Jahren zuvor dreimal in Folge den besten Gesamtmittelwert erzielt hatten.
- Die größte Verbesserung nach der Commerzbank konnten die Deutsche Bank und die Targobank verzeichnen. Die Deutsche Bank konnte dadurch den dritten Platz aus dem Vorjahr trotz des großen Sprungs der Commerzbank verteidigen und die Volksbanken wieder hinter sich lassen. Die Targobank konnte dank ihrer relativ starken Verbesserung mit der UniCreditBank (HVB) zumindest gleichziehen.
- Die Commerzbank war 2013 auch diejenige Institutsgruppe, die am häufigsten eine zumindest überdurchschnittliche Platzierung erreichte, wenn sie in einer Stadt getestet wurde. Dies lässt sich als die konstanteste überdurchschnittlichen Leistung mit den wenigsten negativen Ausreißern interpretieren. Die Sparkasse blieb allerdings auch 2013 diejenige Institutsgruppe, die am häufigsten die Bestplatzierung erreichte, wenn sie in einer Stadt getestet wurde.
- Einer der Gründe für die insgesamt zu beobachtenden Verbesserungen dürfte sein, dass sich im Jahr 2013 die durchschnittliche Gesprächsdauer gegenüber dem Vorjahr insgesamt deutlich erhöht hat und bei etwa 55 Minuten lag. Selbst bei der Postbank, wo erneut die kürzesten Gespräche geführt wurden, betrug die durchschnittliche Gesprächsdauer fast 40 Minuten. Die durchschnittlich längsten Gespräche wurden wie bereits in den Vorjahren bei der Deutschen Bank geführt.
Die wichtigsten Ergebnisse / Erkenntnisse im Jahr 2013ff.: Bei der vierten Durchführung unserer großangelegten Untersuchung mit diesem Mal über 2.150 Testgesprächen konnten wir gegenüber den Vorjahren Verbesserungen feststellen, die nicht nur einzelne Banken betreffen, sondern eine gewisse Breite besitzen. Offenbar ist insgesamt die Zahl der Geldinstitute gestiegen, die bereit sind, in die Qualität ihrer Beratung zu investieren und die dadurch regelmäßig und auf hohem Niveau überzeugende Beratungsgespräche liefern. Ob sich hier allerdings tatsächlich eine substanzielle und flächendeckende Verbesserung der Beratungsqualität in deutschen Banken abzeichnet, können erst die nächsten Jahre zeigen. Denn nach wie vor ist die Spannbreite zwischen den besten und den schlechtesten Filialen erheblich, weswegen sich die Gesamtmittelwerte auch immer noch auf einem eher mittelmäßigen Niveau bewegen. Die Gründe dafür liegen sowohl in den „Basisdisziplinen“ als auch in der eigentlichen Beratungsleistung.
In der eigentlichen Beratungsphase zeigt sich dann oft die entscheidende Schwäche in Form eines fehlenden „Drehbuchs“ für die Beratung, welches das Beratungsgespräch in einer für den Kunden nachvollziehbaren und logischen Weise strukturiert und somit dem Kunden gegenüber ein Mindestleistungsversprechen garantiert. Ein gutes Beratungsgespräch lässt sich unseres Erachtens in die folgenden drei Phasen untergliedern: Eine (1) Informationsphase, eine (2) Analysephase und eine (3) Erläuterungsphase.
Insgesamt ist die Anzahl der Berater, die gar keine Bedarfsanalyse dieser Art durchführen, sondern sehr schnell über Produkte sprechen, bedauerlicherweise nach wie vor recht hoch.
Erfreut hat uns im Jahr 2013, dass mittlerweile fast 50% der „Nicht-Gewinner“ bereit sind, sich selbstkritisch mit den Testergebnissen auseinander zu setzen. Damit ist gleichzeitig der Anteil derjenigen Banken zurückgegangen, die Verbraucherschutzinitativen und Testgesprächen im Allgemeinen negativ gegenüber stehen. In Zeiten, in denen die Banken mit Vertrauensverlusten zu kämpfen haben, sehen wir darin ein hoffnungsvolles Signal.
Gestützt wird diese Hoffnung auch dadurch, dass unsere Tester auch 2013 wieder viele Berater erleben konnten, die erfolgreich ihren Beruf als echte „Berater“ ausgeübt haben. Bezeichnenderweise sind es häufig gerade die bestplatzierten Banken, die versuchen, noch besser zu werden. Sie haben verstanden, dass Qualität in der Beratung kein Zufall sein darf. Wobei wir unter Qualität keinen schwer erreichbaren Höchststandard verstehen, sondern ein Mindestmaß an kunden- und sachgerechter Leistung, die jeden Tag aus Überzeugung und mit einer gewissen Leichtigkeit erbracht wird.
Da dieses Beratungsqualitätsversprechen zunehmend auch von Direktbanken gegeben wird, haben wir im laufenden Jahr 2014 damit begonnen, unsere Untersuchung um die wichtigsten Direktbanken (comdirect bank, Cortal Consors, HVB Online Filiale, ING-DiBa) zu erweitern. Damit wollen wir systematisch testen, inwieweit die Direktbanken ihrem diesbezüglichen Anspruch tatsächlich gerecht werden.
Über das Institut für Vermögensaufbau:
Das Institut für Vermögensaufbau (IVA) AG (www.institut-va.de) ist eine bankenunabhängige Gesellschaft zur Förderung des Vermögensaufbaus von Privatanlegern mit Hilfe finanzwissenschaftlicher Methoden. Durchgeführt werden unter anderem Analysen und Studien, deren Ergebnisse Privatanlegern beim Auffinden qualitativ hochwertiger Lösungen für den langfristigen Vermögensaufbau helfen. Im Bereich Retailbanking besteht die Kerndienstleistung in der flächendeckenden Durchführung von Tests – wie beispielsweise des CityContest – zur Erfassung der bundesweiten Beratungsqualität in diesem Kundensegment.
Quelle: ots