Öffentliche „Stoßdämpfer“ für die Automobilindustrie, Tops & Flops
Hamburg – Öffentliche „Stoßdämpfer“ in Form von Subventionen, Steuersenkungen und Marktanreizen sind maßgebliche Treiber der globalen Automobilindustrie zusammen mit Zukunftstrends der Branche, insbesondere die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Zu diesem Schluss kommt der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes in seiner aktuellen Studie „Public bumpers for the automotive market“. Insbesondere in den USA, Großbritannien, China und Spanien stützen die staatlichen Programme die Verkaufszahlen.
Öffentliche Anreize Fluch und Segen: Spanien 2016 dank Prämie top, für 2017 Einbruch erwartet
„Die öffentliche Ankurbelung der Automobilverkäufe ist Fluch und Segen zugleich“, sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe. „So lange die Förderprogramme in Kraft sind, profitieren die Autobauer von den Maßnahmen – fallen sie allerdings weg, sehen sie sich zumindest kurzfristig mit einem Einbruch der Absatzzahlen konfrontiert, wie beispielsweise in Japan mit Erhöhung der Mehrwertsteuer. Auch Spanien steht nach Ende der dortigen Abwrackprämie zum Jahresende für 2017 eine ähnliche Entwicklung ins Haus. Nach einem erwarteten 11% Plus bei den verkauften Autos im laufenden Jahr rechnen wir 2017 stattdessen mit einem Rückgang um 10%.“
China: Staatliche Steueranreize – chinesische Hersteller profitieren und steigern Marktanteil
Auch in China prägen öffentliche Entscheidungen und Anreize den Automobilmarkt. 2015 halbierte die chinesische Regierung die Steuer auf Abgasemissionen für Einstiegs- und Mittelklassewagen von 10% auf 5%. Ein Wachstum bei den Absatzzahlen in China von voraussichtlich 8% auf 23 Millionen verkaufte Fahrzeuge in 2016 ist die Folge.
„Gewinner dieser Steueranreize waren eindeutig die chinesischen Hersteller“, sagte Subran. Sie dominieren das Einstiegssegment und konnten durch die Förderung ihren Marktanteil auf nunmehr 43% in 2016 verbessern. Ihr Erfolg ist jedoch nicht nur preisbedingt. Sie haben auch in anderen Bereichen stark aufgeholt und ihr Produktangebot schnell erneuert und sich auf Crossover-Fahrzeuge (CUV)* und das SUV-Einstiegssegment spezialisiert, die sich beide in China mit +50% und +18% bei den verkauften Fahrzeugen großer Beliebtheit und Nachfrage erfreuen.“
Diese Subventionen werden wohl über 2016 hinaus verlängert werden. Sollte dies nicht der Fall sein, stünde den Absatzzahlen in China 2017 ein Rückschlag bevor, zwischen -5 und -10%.
China: Wachstum getrieben durch Hinterland – in Ballungsräumen zunehmende Einschränkungen
„Die Automobilbranche ist für die chinesische Regierung ein strategischer Sektor“, sagte Subran. „Insofern gilt es als sicher, dass die Förderprogramme weiterlaufen werden, um die strategische Weiterentwicklung nicht zu gefährden. Wir erwarten daher für 2017 einen Zuwachs bei den verkauften Fahrzeugen um rund 5% auf dann 24 Mio. Fahrzeuge. Das Wachstum kommt dabei vor allem aus dem chinesischen Hinterland, wo sukzessive die Kaufkraft mit langsam steigenden Einkünften wächst. In den großen Ballungsräumen hingegen herrscht bereits heute eine starke Luftverschmutzung, was vermehrt zu Einschränkungen im Verkehr und bei der Zulassung von Fahrzeugen führt.“
In Shanghai und Peking können neue Autos erst nach einer Verlosung erworben werden – es sei denn, es handelt sich um ein Elektrofahrzeug. Diese werden mit bis zu 15.000 Euro vom Staat gefördert (nimmt man Förderinstrumente von Zentralregierung und lokalen Behörden in Anspruch). Voraussetzung ist jedoch auch hier, dass es sich um ein Elektroauto eines einheimischen Herstellers handelt.
Deutsche Autobauer: China weiterhin Lokomotive des globalen Wachstums Für die deutsche Automobilindustrie ist der chinesische Markt (8%) nach den USA (15%) und Großbritannien (13%) der drittwichtigste Exportmarkt. Insgesamt 80% der 5,8 Millionen in Deutschland produzierten Fahrzeuge gehen ins Ausland. In China sind sie – trotz leicht sinkender Marktanteile – auch weiterhin gut positioniert.
„Die deutschen Autobauer sind vor allem in den Ballungszentren und bei Mittel- und Oberklassefahrzeugen sehr gut positioniert“, sagte Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Im Einstiegssegment, das derzeit überproportional wächst, dominieren hingegen einheimische Marken. Trotzdem ist der Markt weiterhin im globalen Vergleich eine Lokomotive des Wachstums und deutsche Konzerne profitieren weiterhin davon. Sorgen machen in China nur die langen Zahlungsziele und die steigenden Insolvenzen. Wir erwarten 2016 insgesamt rund 20% mehr Pleiten im Reich der Mitte und die Zahlungsmoral hat sich in den letzten Jahren im ganzen Land erheblich verschlechtert. Traditionell bezahlen Unternehmen in der Automobilindustrie besonders spät.“
Deutsche Autobauer stehen gut da, nicht zuletzt dank Absatzrekord in den USA
Die deutsche Automobilindustrie steht insgesamt gut da und profitiert auch von einem auf Rekordniveau wachsenden US-Markt, getrieben durch niedrige Ölpreise und günstige Finanzierungsmöglichkeiten.
„Der Abgasskandal hatte auf die deutschen Autobauer insgesamt keine merklichen negativen Auswirkungen“, sagte Van het Hof. „Trotzdem oder gerade deshalb setzen sie verstärkt auf umweltfreundliche Technologien wie beispielsweise aufladbare Hybridmotoren, um vor allem auch den Ausstoß der großen Limousinen oder SUVs zu reduzieren. Auch diverse Elektromobilprojekte helfen, um das ‚grüne Label‘ der deutschen Automobilindustrie weiterhin zu wahren. Autonome Fahrzeuge und vernetze ‚Smart Cars‘ sind ebenfalls Trends, auf die die Hersteller für die Zukunft setzen. Ihre Karten sind dabei recht gut, da sie im globalen Vergleich relativ hohe Margen erzielen und traditionell in Forschung und Entwicklung investieren.“
Europas Automobilmärkte top – Großbritannien durch Brexit 2017 Flop
Auch Europas Absatzzahlen können sich mit einem Plus von 5,5% auf insgesamt 15 Millionen neue Fahrzeuge in 2016 sehen lassen und die Aussichten sind auch für 2017 fast überall gut. Fehlzündungen erwarten die Euler Hermes Volkswirte 2017 allerdings für den spanischen und den britischen Markt. Ersterer durch das Ende der staatlichen Abwrackprämie und Letzterer in Folge des Brexit-Votums. Rund 9% dürfte der Fahrzeugabsatz im Inselstaat zurückgehen.
„Großbritannien ist der zweitwichtigste Exportmarkt der deutschen Autobauer“, sagte Van het Hof. „Das Premiumsegment sollte zwar problemlos Preise erhöhen können, aber eine Rezession und ein Absatzrückgang dürften sie dennoch zu spüren bekommen.“
Auf dem Bremspedal: Brasilien und Russland weiter in Krise, Indien und Türkei schwächeln Die aufstrebenden Automobilmärkte enttäuschen hingegen auch weiterhin. In Brasilien kommen nach einem Rückgang um ein Viertel im vergangenen Jahr weitere -19% bei den Neuzulassungen 2016 hinzu. In Russland sind es -11% (nach -36% in 2015). Auch Indien und die Türkei stehen auf dem Bremspedal. In Indien werden 2016 flache 1% mehr Neuwagen verkauft, in der Türkei sind es sogar 1% weniger als noch 2015. Bei den aktuellen Entwicklungen im Land erwarten die Euler Hermes Volkswirte keine schnelle Besserung.
„Mittelfristig haben diese Märkte aber großes Potenzial“, sagte Subran. „Auch Brasilien und Russland sind langfristig weiterhin sehr interessant. Allerdings brauchen die Autobauer eine entsprechende Finanzstärke und Flexibilität bei der Fertigung, um sich auf die große Volatilität dort adäquat einzustellen.“
Quelle: ots