OBS-Arbeitspapier zur Diskussion über „Krise des Journalismus“
Die Frage, was Journalismus im Kern ausmacht, stand im Zentrum eines Projekts der Otto Brenner Stiftung (OBS). Unter dem Titel „Journalist oder Animateur – ein Beruf im Umbruch“ erscheinen jetzt „Thesen, Analysen und Materialien zur Journalismusdebatte“. Als ein Ergebnis der breit angelegten Untersuchung präsentieren Autoren und Stiftung „Alleinstellungsmerkmale journalistischer Arbeit“.
Das OBS-Autorenduo Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz geht davon aus, dass Journalisten und journalistische Medien auch deshalb an Glaubwürdigkeit verloren und an Vertrauen eingebüßt haben, weil sich zunehmend aktuelle Ver- öffentlichungen fälschlicherweise als Journalismus ausgeben. Weil sich ein Geschäftsmodell etabliere, das sich zwar journalistisch nenne, dessen Veröffentlichungen jedoch in der Hauptsache auf den Aufmerksamkeitswert ausgerichtet seien und nicht auf den Informationswert, verlöre auch der Beruf Journalist an Reputation. „Es soll nicht mehr die wichtige und richtige Nachricht an das Publikum verkauft werden, sondern die Aufmerksamkeit des Publikums an die Werbung. Unter dem Namen Journalismus macht sich Animationsarbeit breit.“
Die Autoren kritisieren auch die gängige Unterscheidung zwischen Qualitäts- journalismus und Journalismus. Sie sei „eine Vermeidungsstrategie, denn sie lenkt von der eigentlichen Frage ab, was den Namen Journalismus verdient und was nicht“. Der Begriff Qualitätsjournalismus verwirre die Diskussion, verstelle den Blick auf das Wesentliche und spiele denen in die Hände, die bewusst Grauzonen aufrechterhalten wollten. Es sei gar nicht schwer, aus der laufenden umfangreichen Debatte über Zustand und Zukunft des Journalismus die wichtigsten Erwartungen an seine Arbeit und seine Kernmerkmale herauszuarbeiten: „Journalismus hat auf der Basis von Unabhängigkeit aktuelle Nachrichten und Berichte sowie anlassbezogene orientierende Analysen zu gesellschaftlich relevanten Themen allgemeinverständlich anzufertigen. Er ist dabei der Richtigkeit, der überparteilichen Darstellung sowie der kritischen Kontrolle verpflichtet. Alle anderen Akteure der öffentlichen Kommunikation, die Werbung und die Öffentlichkeitsarbeit, die Unterhaltung und die Animationsarbeit, haben andere Ziele. Nur diejenigen sind Journalisten, die diesem Beruf in Handwerk und Anliegen nachgehen.“
Diese Kerneigenschaften journalistischer Arbeit festzuhalten und prominent heraus- zustellen, sei keine akademische Übung, sondern eine politisch-demokratische Aufgabe, betonen die Autoren. Über alle Streitpunkte hinweg herrsche die einhellige Auffassung, so stellt die Stiftung heraus, dass der Journalismus als Dienstleister der Demokratie anzusehen ist. „Es handelt sich bei den Produkten des Journalismus um aktuelle Veröffentlichungen, die zu den Existenzbedingungen von Demokratie gehören“, sagen die Autoren und ergänzen: „Nur wenn die Arbeit ständig und verlässlich geleistet wird, die der Journalismus sich selbst vornimmt und die er – im Gegenzug ausgestattet mit wesentlichen Privilegien – von der Gesellschaft und deren Institutionen zugeteilt bekommen hat, ist das Fundament vorhanden, auf dem die Gesellschaft und ihre Bürger ihren Meinungsstreit und ihre Verhandlungen auf demokratische Weise austragen können.“
Mit ihren medienkritischen Studien (siehe www.otto-brenner-stiftung.de) weist die Otto Brenner Stiftung immer wieder auf Fehlentwicklungen im Medienbereich hin. Zugleich will die Stiftung mit konkreten Vorschlägen in die medienpolitische Debatte eingreifen. Wichtig sei aber auch, so OBS-Geschäftsführer Legrand, „den Journalismus vor pauschalen Urteilen wie Lügenpresse oder Systemmedien“ in Schutz zu nehmen. Die Stiftung erhofft sich, so Legrand weiter, dass das Arbeitspapier einen Beitrag dazu leistet, „das Publikum, die Medienmacher und die demokratische Politik davon zu überzeugen: Es gilt, dem Journalismus den Rücken zu stärken, seine beruflichen Standards ernst zu nehmen, Selbstbehauptung zu demonstrieren und zu praktizieren“.