Felgen mit Titan-Schutzkante
Leichlingen / Las Vegas – Früher machten Gardinen mit Goldkante die Damenwelt beim Kaffeekränzchen glücklich. Jetzt gibt es endlich die Kante, die alle Männerherzen entzückt: Die Titan-Kante an der Alufelge. Als wirksamer Schutz vor Bordsteinremplern. Die zeigt der rheinische Spezialist für thermische Spritzverfahren, die Putzier GmbH aus Leichlingen, am neuen Concept Car der Schweizer Ideenschmiede Rinspeed. Und weitere Oberflächen, wie sie wohl noch kein Automobildesigner je gesehen oder gar verwendet hat.
Das hat seinen Grund. Die aufgespritzten Metalllegierungen und Keramikpulver tun ihre Arbeit normalerweise im Verborgenen. Als Beschichtungen schützen sie hoch beanspruchte Maschinenbauteile wie Kolben und Wellen vor Verschleiß. Im „Etos“ des weltbekannten Autovisionärs Frank M. Rinderknecht zeigen sie zum ersten Mal ihre einzigartige Optik und Haptik. Und ihre funktionale Leistungsfähigkeit am und im Automobil.
Zu bestaunen gibt es Anfang Januar auf der Consumer Electronic Show CES in Las Vegas und wenige Wochen später auf dem Autosalon Genf neben dem genialen Felgenschutz auch eine Pedalerie, die dank rauer Titanbeschichtung rutschfest ist, aber auch Zierleisten mit einer Titanoberfläche in einer nie dagewesenen Optik und Haptik.
Der Mann, der seine Geschlechtsgenossen dauerhaft glücklich machen will, heißt Jens Putzier (51). Fragt man den Geschäftsführer, was denn sein Unternehmen so treibt, dann erklärt er es anschaulich: „Wir machen Airbrush mit Keramikteilchen. Und Oberflächen einfach besser.“ Es ist eine ganz besonders heiße Form des Airbrushens, das die Leichlinger beherrschen. Fachleute nennen es thermisches Spritzen: Einem bis zu 20.000 °C heißen Gasstrahl wird zum Beispiel keramisches Pulver beigemischt, das als flüssiges Tröpfchen mit bis zu dreifacher Schallgeschwindigkeit wie ein Pfannkuchen auf Metall trifft. Auf der rauen, kalten Oberfläche zieht er sich zusammen und verkrallt sich dabei in ihr. Bei der entstehenden Haftfestigkeit kann an der Fläche einer ein-Euro-Münze ein VW Golf sicher baumeln!
Ein hoch spezialisiertes und offensichtlich lukratives Geschäft: Der Jahresumsatz 2015 liegt bei vier Millionen Euro und die Auftragsbücher sind voll. Zu den Kunden rund um den Globus gehören namhafte Unternehmen und die bekannten Branchenführer. Beschichtete Bauteile aus dem Rheinland finden sich in der Lebensmittel-, Chemie-, Papier- und Kraftwerksindustrie – und das weltweit. Bei der Kooperation mit der Schweizer Ideenschmiede Rinspeed betraten Leichlinger „Airbrusher“ jetzt aber völliges Neuland – und verschoben die Grenzen des Machbaren wieder ein Stückchen weiter. Jens Putzier: „Unsere Jungs arbeiten mit Werkstoffen, die es nicht in jedem Metallbearbeitungsbetrieb gibt. Sie lösen Kundenprobleme mit maßgeschneiderten Rezepturen, in der jede Menge Knowhow und Erfahrung stecken. Aber Alufelgen und extrem filigrane Zierleisten sind uns bislang noch nicht vor die Spritzautomaten gekommen.“ Folglich ist bis zur Serienreife noch ein Stückchen Weg zu gehen.
Und warum der Aufwand? Putzier: „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Anwendungen in neuen Märkten. Mit der Rinspeed-Kooperation wollen wir der weltweiten Autoindustrie zeigen, was mit unserer Technologie möglich ist. Wenn’s um globale Aufmerksamkeit geht, dann schafft der Schweizer Autovisionär Rinderknecht immer wieder einen absoluten Top-Act.“
Während es beim Lackieren in der Autowerkstatt mehr um den richtigen Farbton geht, kommt es bei den Rheinländern auf die richtige Auswahl des Spritzmittels an. Neben Kupfer, Silber, Stahl und Bronze sind es auch Hartmetalle wie Wolframcarbit oder keramische Stoffe wie Aluminiumoxid. Das angestrebte Ergebnis bestimmt die Auswahl: Schutz vor Abrieb und Korrosion, elektrische Isolation, Haftkraft durch eine bestimmte Rauheit der Oberfläche. Oder soll die Beschichtung die Reibung von Kolben oder Wellen minimieren, um deren Lebensdauer zu maximieren – oder einfach dafür sorgen, dass alles dicht ist?
Für jedes Problem gibt es die passende Rezeptur, hinterlegt in der Steuerung der Spritzautomaten. In ihr verbergen sich genaue Angaben zu Gasdruck, -art und -menge, Düsenform oder auch Abstand, Winkel und Geschwindigkeit des Spritzstahls zum Werkstück. Das alles ist bestgehütetes Betriebsgeheimnis.
Gerade bei Beschichtungen für Dichtungssysteme gehört Putzier zur Weltspitze. Der Firmenchef: „Wir beliefern Maschinenbauer weltweit. Unsere Beschichtungen finden Sie auf allen Kontinenten.“ Auch im Eurofighter. Und selbst auf Ihrem Frühstückstisch. O-Saft, Milch, Joghurt und Käse sind auf ihrem Entstehungsweg mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Maschinen an Putzier-Beschichtungen vorbeigelaufen.
Genau das werden viele tausend Besucher in Las Vegas und Genf auch tun: An den neuesten Kreationen der Autohersteller aus aller Welt vorbeischlendern. Auf dem Rinspeed-Stand werden sie verharren und den eidgenössischen Elektro-Sportwagen bestaunen. Mit Recht, denn er ist der einzige Wahre – nämlich „der mit der Titan-Kante…“
Quelle: ots