Frankfurt (ots) – Wahrscheinlichkeit eines Austritts massiv gestiegen / Kein Dominoeffekt erwartet / Austritt wäre für Griechenland der GAU / Unterschiedliche Entwicklung der Lohnkosten Auslöser für Probleme in der Eurozone / Euro-Austritt Deutschlands undenkbar
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Griechen aus der Europäischen Währungsunion austreten, ist nach Ansicht von HWWI-Chef Thomas Straubhaar massiv gestiegen und jetzt „sehr hoch“. „Ich habe immer gesagt, es wäre katastrophal, wenn die Europäer Griechenland aus dem Euro kicken würden – das würde zu einem Dominoeffekt führen, der immense Kosten verursacht“, sagte Straubhaar im Interview mit dem Anlegermagazin ‚Börse Online‘ (Ausgabe 22/2012, EVT 24. Mai). Es sei aber etwas anderes, wenn die Griechen den Austritt provozieren würden, wenn sie es auf eine Machtprobe mit den Geldgebern ankommen ließen. „Dann wäre die Wahrscheinlichkeit eines Dominoeffekts sehr gering.“
Weil der Austritt für die Griechen, auch wenn sie das vielleicht nicht wahrhaben wollten, der GAU wäre, käme es zu einer Implosion, die wirtschaftliche Lage wäre für lange Jahre sehr schwierig. „Die anderen Länder sähen, dass es keine Lösung ist, die Währungsunion zu verlassen“, ergänzte der HWWI-Chef. „Dieses Szenario hat für Portugal, Spanien und Italien einen Abschreckungseffekt und wird deren Reformbereitschaft erhöhen.“
Für die Eurozone hätte der Austritt Griechenlands hingegen keine großen finanziellen Auswirkungen mehr, weil das, was an Forderungen noch abgeschrieben werden müsste, von den Gläubigern zumindest antizipiert worden sei. Griechenland sei ein kleines Land, deshalb wären die Folgen des Austritts verkraftbar. „Es wäre ein Ende mit Schrecken, hätte aber den Vorteil, dass die Planungssicherheit wieder zunähme.“
Ein Grund für die Probleme der Eurozone sei die unterschiedliche Entwicklung der Lohnkosten. „Diese sind in einzelnen Euro-Ländern von 1999 bis heute um bis zu 30 Prozent stärker gestiegen als in Deutschland. Das bedeutet, dass die Reallöhne der betreffenden Länder wieder um 30 Prozent sinken müssten“, folgerte Straubhaar gegenüber ‚Börse Online‘. Das wäre eine Schocktherapie, und Schocktherapien seien unkalkulierbar. „Niemand kann sagen, wie die Leute reagieren, wenn sie plötzlich 30 Prozent ärmer sind, wenn die Lichter ausgehen und Autos stillstehen, weil man auf dem Weltmarkt kein Benzin mehr kaufen kann. Besser wäre es zu sagen: Ihr habt eure Kosten innerhalb von zehn Jahren um 30 Prozent gesteigert, nun habt ihr zehn Jahre Zeit, sie wieder um 30 Prozent zu senken.“
Einen Euro-Austritt Deutschlands hält Straubhaar für undenkbar. Das wäre eine Ohrfeige für alle anderen europäischen Länder. „Sie könnten das niemals akzeptieren, nachdem man in den 1990er-Jahren den Euro geschaffen hat, um die deutsche Wiedervereinigung zu ermöglichen und dieses große wiedervereinigte Deutschland nicht mehr so stark werden zu lassen, dass es im Alleingang wieder Europa dominiert.“
Orginal-Meldung: http://www.presseportal.de/pm/67525/2257809/-boerse-online-interview-mit-hwwi-chef-thomas-straubhaar-folgen-eines-griechenland-austritts-waeren/api